Seit 2011/2012 läuft die Obdachlosen-Uni Berlin nun schon. Einiges, was anfangs geplant war, lief anders als erwartet. Ob besser oder schlechter sei dahin gestellt.
Der Ursprungsgedanke war: Wohnungslose lernen von Wohnungslosen, d. h. eine Bewohnerin einer Wohnungslosenunterkunft spielt vielleicht schon seit Jahren Gitarre und ein anderer Bewohner einer anderen Wohnungslosenunterkunft möchte Gitarre spielen lernen – und, schwupps, ein Gitarrenkurs entsteht. So oder so ähnlich erzähle ich auch immer von der Obdachlosen-Uni, wenn mich jemand danach fragt.
Realität ist aber auch, dass, wenn ich Obdachlosen-Uni in den Wohnungsloseneinrichtungen vorstelle, in der, sagen wir mal 80 Menschen untergebracht sind, sich acht zu mir an den Tisch setzen, davon sind drei dabei, die einfach mal hören wollen, worum es überhaupt geht (bzw. sich erhoffen, dass das Projekt von einer hübschen jungen Dame vorgestellt wird), weitere drei kommen durchaus mal zu einem Kurs, wenn er denn losgeht und erzählen vielleicht auch anderen davon (die dann auch kommen) und, sagen wir mal, zwei Bewohner/innen sind Feuer und Flamme. Diese beiden machen dann alle Kurse mit, die es gibt, und sind auch sonst sehr aufgeschlossen und aufgeweckt. Das sind dann die Personen, die Interviews geben, wenn eine Zeitung anfragt und die Vorträge vor Schülerinnen und Schüler sowie vor Studentinnen und Studenten halten. Es gab durchaus schon Kooperationen mit (Fach-)Hochschulen bei der die Studierenden dann in der Obdachlosen-Uni Kurse gaben und "unsere Wohnungslosen" dann (zum Ausgleich) in der "echten" Hochschule vor den Studierenden gesprochen haben. Demnächst gibt es dann auch einen Vortrag "unserer Wohnungslosen" vor Kindern in der Kinderuni.
Realität ist auch, dass mehr und mehr Kurse von sesshaften Dozenten gegeben werden, wenn man diesen Ausdruck verwenden möchte, um von den wohnungslosen Dozenten zu unterscheiden. Studentinnen und Studenten, Nachbarinnen und Nachbarn, Renterinnen und Pensionäre und einmal auch ein regulärer Professor einer „echten“ Hochschule, erfahren (z. B. über die Medien) von der Obdachlosen-Uni, kommen dann in die Wohnungsloseneinrichtungen und geben ihre Kurse, basteln mit unseren Teilnehmern Fotoapparate aus gefundenen Materialien, kochen vegetarisch etc. pp.
Realität ist auch, dass mehr und mehr PartnerInnen gewonnen werden, die ihre Kurse mit ins Programm aufnehmen lassen, d. h. Kurse entstehen auch ohne großes Zutun durch uns, sie werden lediglich im Programm der Obdachlosen-Uni aufgenommen, sie würden aber auch ohne uns in der Wohnungslosen-Unterkunft bzw. auch im Freien (wie z. B. Stadt- und Kiezerkundungen) stattfinden, bloß eben nicht so gebündelt in einem Programm der Obdachlosen-Uni zusammengeführt.
Tja, alles ergibt sich anders als geplant. Es ist einfach zum verrückt werden ;)
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